Fotoaufnahme zur Fahnenweihe des örtlichen Jugendvereins um 1920 sowie eine “Besuchs-Anzeige” der Frottierweberei Dressler & Marx aus dem jahre 1925

Anfang 20. Jahrhundert

Vereinsgründungen. Nachweislich gab es in Berthelsdorf einen Ziegenverein, einen Raucherverein, einen Schüt zen-verein, einen Militärverein, einen Radfahrverein, einen Jugendverein, einen Geflügelverein, einen Turnverein. Diese Vereine trugen das gesamte kulturelle Leben auf dem Dorfe. Am 1. April 1894 wurde der heute noch bestehende Geflügelverein gegründet, der damit fast seit 100 Jahren besteht. Als Mitbegründer sind die Fabrikanten Emil Gustav und Karl Ernst Paul (von Paul's Fabrik) bekannt, ebenso wie der damalige Oberlehrer Oswald Mersiowski, der Gerbermeister Wilhelm Roland und der Roßschlächter Emil Roland. Auf eine fast so lange Tradition kann der Turn- und Sponverein zurückblicken. Er wurde 1896 als Turnverein gegründet. Noch vor 1900 nahm eine weitere Firma ihren Sitz in Berthelsdorf, die Leinenweberei Bartsch. Bald darauf folgte die Frottierweberei Dressler Marx um 1900. 1927 wurde der Marx'sche Betrieb erweitert und beschäftigte ca. 300 Arbeiter Interessant ist vielleicht auch, wieviel Gastwirtschaften es zu jener Zeit in Berthelsdorf gab. Den Berthelsdorfern noch bekannt sind die "Bahnhofsgaststätte" der "Obere Gasthof" die "Spitze" die "Drei Linden" der "Schwarzeännel" die "Burg", die "Sieges Eiche" der "Kretscham" die "Sonne" "Kaffee Kern" das "Ahnenschlößchen"und "Krotsch". Aktuell existieren von diesen Gaststätten keine einzige mehr.

Das KZ-Außenlager in Rennersdorf

Die Überlebenden des Todesmarsches aus dem KZ-Außenlager Görlitz kamen am 23. Februar 1945 in das unweit von Herrnhut gelegene Rennersdorf. Genauer gesagt quartierte man sie in einem alten Rittergut am Fuße des Berges Eichler ein. Das Gut Oberrennersdorf befand sich seit 1765 im Besitz der Brüderunität Herrnhut. Unter dem Vorwand der Knappheit von Siedlungsland und der strategischen Lage in Grenznaähe zur tschecheslowakischen Republik erwirkte die Wehrmacht nach zähen Verhandlungen den Verkauf des Gutes Oberrennersdorf als Bestandteil des Remonteamtes (zusammen mit dem Berthelsdorfer und Großhennersdorfer Gut) am 03. März des Jahres 1937 . Dem damaligen Pächter Rosenberg wurde im Juli des selben Jahres gekündigt. Das tote, wie auch das benötigte lebende Inventar ging in den Besitz der Wehrmacht über. Die landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Unternehmungen setzte man fort, wobei die Pferdeaufzucht eine wesentliche Rolle spielte. Laut dem Rennerdorfer Ortschronisten war der damalige Wirtschaftsvogt und Betriebsführer ein gewisser Reinhold Lehmann. Außer ihm wohnten noch eine Reihe anderer Personen auf dem Gut: der Tierarzt Zwerschke mit seinem Sohn, ein Schäfer namens Schlaffke sowie die Familien Bittrich, Feder, Engel und Weber

Welcher Art war das Lager in Rennersdorf?

Genau wie das Görlitzer Lager im Biesnitzer Grund, aus dem die Häftlinge gekommen waren, ist das Lager in Rennersdorf definitionsgemäß kein Konzentrationslager. Ebenso wenig kann man es als Arbeitskommando bezeichnen, da nur geringfügige Arbeitseinsätze erfolgten. Vielfach wurde das Lager in der Literatur als KZ-Außenlager bezeichnet, wobei es jedoch, entgegen Isabell Sprengers Annahme, kein reines Männerlager war . Angesichts der Tatsache, daß die Gefangenen nur für knapp zwei Wochen in Rennersdorf verweilten und anschließend wieder an ihren Ausgangspunkt nach Görlitz zurückkehrten, scheint es im wörtlichen Sinne ein Ausweichlager gewesen zu sein. Im Archiv des Groß- Rosen, sowie in den Verwaltungsbüchern der Gemeinde Rennersdorf, existiert kein einziges Dokument, was den Zusammenhang mit dem Hauptlager erkennen läßt. Offenbar gab es für diese einzige Einquartierung von KZ-Häftlingen eine Übereinkunft zwischen SS oder der Görlitzer Kreisleitung und der Wehrmacht als Eigentümer der Gebäude und Ländereien. Jenes Außenlager hatte einen stark provisorischen Charakter und ist kurzfristig eingerichtet worden. Das Gelände war weder durch einen Zaun gesichert, noch von der zivilen Außenwelt isoliert. Die kurz vorherige Nutzung als Remontegestüt war für die Gefangenen mehr als offensichtlich

Menschen statt Pferde

Die Unterbringung erfolgte im Pferdestall. Dieser grenzt nicht direkt an den Gutshof, sondern befindet sich ca. 70m nördlich zwischen einem kleinen Wäldchen und der heutigen Betonstraße, die aus dem Oberhof in Richtung Neundorf führt. Der Pferdestall teilt sich in vier Abschnitte. Im hinteren, vierten Abschnitt, welcher dem Gutshof am nächsten liegt, waren die Frauen untergebracht. In den anderen drei Abschnitten quartierte man die Männer ein.

Lagerleitung und Wachmannschaften in Rennersdorf

Die Kommandostruktur der SS war in Rennersdorf dieselbe, wie zuvor in Görlitz. Erich Rechenberg als Lagerkommandant verblieb in Görlitz und kam nur gelegentlich nach Rennersdorf. Lagerführer Zunker, Rapportführer sowie die älteren SS-Leute und die äußerst grausamen ukrainischen SS-Männer bezogen in Rennersdorf Quartier. Ein Großteil der Wachmannschaften wohnte auf dem Gut, ein Teil soll auch bei Wunderlichs und andere bei Wenzels auf dem Gittelberg logiert haben. Zumindest der Lagerführer bezog während dieser Zeit mit seinen Hunden und seinen bediensteten Häftlingen („Stiefelputzer“) die Schmidt-Mühle am Fuchsberg. Bei dem hier dargebotenen Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch: “Die KZ-Außenlager Görlitz und Rennersdorf”, Neisse-Verlag, Dresden 2008, von Niels Seidel Der Beitrag ist auch schon in einer neueren Fassung unter einer Creative Commons Lizenz frei verfügbar, d.h. der Text kann unter Angabe des Namens des Autors und der unten stehenden URL andernorts veröffentlicht/vervielfältigt werden, jedoch ohne Änderungen und kostenfrei. Siehe: http://www.nise81.com/archives/1046
berthelsdorf.info

Geschichte - Anfang 20. Jahrhundert und

Das KZ-Außenlager in Rennersdorf